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Gedanken zur musikalischen Ausbildung

Gedanken zur musikalischen Ausbildung

Die Notwendigkeit der Nachwuchsgewinnung hat sich eigentlich seit vielen Jahren in den Vereinen etabliert. Warum läuft es bei einem Verein gut und bei den anderen weniger gut?

Der Versuch einer Analyse:

Wie war es früher:
Annonce im örtlichen Verkündungsblatt: Am xx.xx.xxxx findet die Instrumentenvorstellung des Musikvereins XX statt. Zielgruppe ab 9 Jahre. Die Vereine haben ein paar Instrumente vorbereitet und einige MusikerInnen/ Ausbilder des Vereins haben die Instrumente präsentiert und die Kinder konnten die ersten Töne ausprobieren.

Aus verschiedenen Gründen hat das Konzept nicht mehr funktioniert.

Meine Mutmaßungen hierzu:
  • Kein Bezug der Eltern/ Kinder zum Verein vorhanden
  • Kein nachhaltiges Ausbildungskonzept vorhanden oder im Ort bekannt
  • Kinder bereits anderweitig hobbymäßig verortet („Verein ist zu spät dran“)
  • Jugendarbeit des Vereins im Ort nicht bekannt
  • Homepage/ SocialMedia nicht für Ausbildungszwecke genutzt
  • Keine ansprechende Werbung für die Nachwuchsgewinnung
  • Keine gute Präsentation der Ausbildungsarbeit im Verein
  • Schlechter Ruf von einzelnen Ausbildern
  • vorhandene Konkurrenz zur Musikschule mit z.B. Klavier, Geige, Cello oder Gitarre
  • Präsenz des Vereins insgesamt im Ort nicht positiv (genug)
  • Kein Ansprechpartner für die Jugendarbeit benannt und im Ort bekannt
  • Jugendarbeit benötigt ein Gesicht, daher sollte Jugendleitung im Ort präsent sein
Die Konkurrenz zu z.B. Sportvereinen lasse ich bewusst weg, da hier m.E. nur ein vorgeschobenes Argument vorliegt. Es gibt aus Sicht der Musikvereine hausgemachte Gründe, weshalb hier ggf. Vorteile bei den Sportvereinen liegen. Wenn man sich aber die ganzen Spielgemeinschaften anschaut, dann ist es in diesem Bereich leider auch nicht überall rosig.
Das weitere Argument, dass keine Ausbilder gefunden werden, lasse ich auch nicht gelten, da auch hier die Gründe meist hausgemacht sind.

Zwischenzeitlich liegt das Problem weniger in der Nachwuchsgewinnung, sondern eher darin, dass zwar wieder intensiv nach mehr oder weniger stimmigen Konzepten ausgebildet wird, aber letztendlich nur ein Bruchteil der NachwuchsmusikerInnen im Hauptorchester ankommt.

Nun gilt es diese 2 Eckpunkte zu betrachten:
1.) Nachwuchsgewinnung
2.) Ausbildungskonzept (Instrumentalausbildung) mit dem Ziel Aufnahme in das Hauptorchester

Zu Punkt 1
Der positive Effekt einer musikalischen Bildung hat sich zwischenzeitlich bei den Eltern verfestigt. Mit den passenden Rahmenbedingungen und einem ansprechendem Ausbildungskonzept sollte es somit an der Nachwuchsgewinnung nicht scheitern. Hier haben sich Kooperationen mit Grundschulen oder diverse musikalische Früherziehungsangebote/ Blockflötenkurse etabliert und bewährt.

zu Punkt 2
Der zweite Punkt ist m.E. der Punkt mit den größten Einflussmöglichkeiten und zugleich auch der Punkt, der aus meiner Sicht am meisten vernachlässigt wird. Bei den Ausbildungskonzepten läuft bei den Vereinen mit Nachwuchsproblemen aus meiner Sicht am meisten schief…
Die Kinder haben also im Idealfall eine musikalische Früherziehung und/ oder einen Blockflötenkurs durchlaufen oder fangen ggf. direkt mit dem Instrumentalunterricht an. Nun steht die Auswahl des Instrumentes an. 

Tipp 1:

Es ist unabdingbar, dass die Instrumentenauswahl von Vereinsseite gesteuert wird. Selbstverständlich kann auf die Wünsche der Kinder/ Eltern eingegangen werden. Eine zu einseitige Ausbildung einzelner Wunschinstrumente sollte jedoch vermieden werden.
Mit dem Start der Instrumentalausbildung (Blech, Holz oder Drums) sollte immer auch eine Bläserklasse für den Gruppenunterricht installiert werden. So erfahren die Kinder gleich von Anfang an die Gruppendynamik. Auch für die Bläserklasse wäre eine Instrumentenvielfalt von Vorteil. Dies kann im übrigen als Argumentationshilfe gegenüber den Eltern genutzt werden.

Wir starten also mit Einzel-/ Doppel- / oder Registergruppenunterricht und daneben mit einer wöchentlich stattfindenden Bläserklasse. Ggf. in Kooperation mit einer Grundschule, ab der 3. und 4. Klasse.
Auch ist es wichtig, dass in beiden Unterrichtsformen (Instrumentalunterricht und Bläserklasse) die Musiktheorie wie Notenlehre, Rhythmik und Tonarten ihren Platz erhalten.

Tipp 2:
Schlagzeugunterricht sollte von Anfang an auch an Mallets erfolgen. Schon aus Sicht der notwendigen Musiktheorie ist dies unabdingbar.

Bei dem Instrumentalunterricht in Gruppen/ Registern ist darauf zu achten, dass trotz des gemeinsamen Unterrichts eine individuelle Förderung stattfindet. Hier haben die Instrumentallehrer eine große Verantwortung. Auch der Leiter/ der Lehrer der Bläserklasse kann die einzelnen Fortschritte der Kinder gut einschätzen und sollte in regem Austausch mit den Instrumentallehrern stehen.
Es wäre auch denkbar, dass der Austausch über die Vereinsseite erfolgt. Aus meiner persönlichen Erfahrung ist ein Austausch mit den Eltern z.B. beim Bringen und Holen zum Bläserklassenunterricht von enormem Vorteil, da hier viele Dinge (Instrument defekt, Probleme mit Ausbilder, Probleme mit Ausbildung, usw.) angesprochen werden können.

Falls der Leiter der Bläserklasse dies nicht leisten kann oder möchte, wären ggf. angebotene Sprechzeiten vor oder nach dem Bläserklassenunterricht der Idealfall – ggf. auch nur mit Termin.

Bei geeigneten Fortschritten kann dann der Übertritt in das Vororchester erfolgen und daran anschließend in die Jugendkapelle.

Flankierend zu dem Ausbildungskonzept sind das Juniorabzeichen und auch das bronzene  Abzeichen vorzubereiten und abzulegen. Auch dies muss von Vereinsseite gesteuert werden, da mitunter nicht alle Ausbilder dies im Fokus haben.

Auch regelmäßige Vorspielnachmittage mit Auftritten der Bläserklasse, Vororchester und Jugendkapelle sind förderlich für die Motivation.
 
Wo liegen nun die größten Herausforderungen für den Verein:

  • Musikalische Früherziehung/ Musikwerkstatt anbieten und bewerben. Zulauf sollte eigentlich gesichert sein.
  • Kooperation mit Grundschule 3. – 4. Klasse als Bläserklassenunterricht mit separatem Instrumentalunterricht
  • Bei fehlender Grundschule im Ort kann die Bläserklasse auch auf Vereinsebene organisiert werden
  • Der allerwichtigste Punkt überhaupt: Es muss sich rechtzeitig um ein Anschlusskonzept für die 5. Klasse gekümmert werden. Gerade von der 4. zur 5. Klasse lösen sich viele Grundschul-Bläserklassen ersatzlos auf. Die ganze Mühe in der 3. und 4. Klasse wäre umsonst gewesen, wenn es kein Anschlusskonzept gibt.
  • Als Anschlusskonzept würde sich ein Vororchester auf Vereinsebene anbieten.
Eine Jugendkapelle ggf. als Kooperationsmodell mit anderen umliegenden Musikvereinen sollte unbedingt vorhanden sein.

Die ganzen Konzepte/Ausbildungsstufen können auch gemeinsam mit einer Musikschule umgesetzt werden.
Neben dem musikalischen Konzept wird auch ein Finanzierungskonzept benötigt. Hier bin ich der Meinung, dass sich die Ausbildung nicht unbedingt selbst tragen muss.
Gerade wenn es schlecht um die Nachwuchsgewinnung steht, sollte hier ein Zuschussgeschäft – zumindest auf Zeit – in Erwägung gezogen werden.
Eine Aussage welche ich schon gehört habe:
„Wir haben Geld wie Heu aber keinen Nachwuchs“, wirkt hier mehr als befremdlich.
 
Es muss ein passendes Anschlusskonzept für den Weg nach der musikalischen Früherziehung/ Blockflötenkurs entwickelt und etabliert werden.
Es werden geeignete Ausbilder für den Gruppenunterricht/ Registerunterricht benötigt.
Es werden geeignete „Dirigenten“ für die Bläserklasse, Vororchester und Jugendkapelle benötigt.
Das Ziel muss immer die Aufnahme in das Hauptorchester sein. Insbesondere sollte die Jugendkapelle keinesfalls so ein Eigenleben entwickeln, dass niemand mehr von der Jugendkapelle in das Hauptorchester wechseln möchte. Falls diese Konstellation in Erscheinung tritt, ist leider einiges im Konzept schiefgelaufen. Eine Heilung ist nur langfristig möglich. Der Dirigent der Jugendkapelle und der Dirigent des Hauptorchesters müssen sich dann zusammensetzen und eine Lösung finden. In diesem Fall ist das gesamte Ausbildungskonzept gescheitert.