B L O G - Aspekte und Meinungen zu verschiedenen Themen

Probedirigat - Leitfaden

Probedirigat - Leitfaden

Für ein Probedirigat habe ich mir einen Leitfaden zusammengestellt. 

Er beinhaltet Begrifflichkeiten, fachliche Themen wie Intonation und Klangschulung. Was ist zu beachten und wie kann man sich auf das Probedirigat vorbereiten. Nicht enthalten sind organisatorische Themen wie Kontaktaufnahme mit dem Ansprechpartner des Orchesters. Auf jeden Fall ist die Dauer des Vordirigates abzustimmen und falls an einem Tag mehrere BewerberInnen eingeladen werden, sollte man sich überlegen, ob man lieber zuerst oder an zweiter Stelle drankommen möchte - falls dies ggf. auswählbar wäre. Auch die Auswahl des eigenen Werkes sollte sorgfältig erfolgen. Im Zweifel ein etwas schwierigeres Stück wählen, damit man während der Probe detaillierter in die Probemethodik einsteigen kann. 


Fachliche Themen

Intonation

Schwebung: Erklingen zwei Töne in fast gleicher Tonhöhe, so hört man einen Ton in der mittleren Tonhöhe, dessen Lautstärke ständig an- und abschwillt (pulsiert). Dies bezeichnet man als Schwebung. Das Ab- und Abschwellen erfolgt mit der Differenzfrequenz der beiden Töne. Je näher die Töne beieinander liegen, desto langsamer ist die Schwebung. Schwebung tritt auch bei größeren Intervallen auf. Die Töne eines reinen Intervalls haben gemeinsame Obertöne und die schweben miteinander, wenn das Intervall nicht sauber gestimmt ist.


Begriffliche Abstufungen:

Schwebung, Rauigkeit, Reibung

Intonationskorrekturen sind mit dem Ansatz und mit alternativen Griffen möglich. 
z.B. Anblaswinkel, Atemdruck, Lippenspannung, Zungenstellung.

Ein gutes Hilfsmittel ist auch der Einsatz des Vibratos. 

Auswirkung der Dynamik auf die Tonhöhe:
Crescendo-Spiel: Tonhöhe geht ggf. nach oben bei Flöten, Blechbläser und Doppelrohrblattinstrumenten wie Oboe und Fagott.

Bei Einfachrohrblattinstrumenten geht die Tonhöhe ggf. nach unten: Klarinette und Saxe. Beim Decrescendo-Spiel ist es dann umgekehrt.

Ungünstig für die Intonationskontrolle ist die gleiche Klangfarbe und auch eine gleiche Lautstärke. Die Kopplung einer lauten Stimme mit einer leisen Stimme ist immer vorteilhaft.

Aufgrund des Ausklingverhaltens sind Klavier, Harfe und Gitarre zum Begleiten von Melodieinstrumenten gut geeignet.

Vorgehensweise bei dissonanten Klängen:
Zuerst Oktaven rein einstimmen, dann Quinten und Quarten, dann bei Terzen und Sexten den klanglichen Kompromiss finden und zum Schluss die Dissonanzen hinzufügen. Terzen und Septimen in einem Akkord ergeben wieder eine Quinte, diese auch wieder rein einstimmen.


Ausdrucksintonation

Leittöne, die zu anderen Tonarten führen und deshalb leiterfremd sind, werden oft höher gespielt. 

Mollterzen oder Sexten in neopolitanischen Sextakkorden werden oft tiefer gespielt.

Exkurs Neapolitaner: Mollsubdominate mit kleiner 6. f as c = Mollsubdominate wird zu f as des (als Sextakkord). Das des wird dann tiefer gespielt.

Erst diese Ausdrucksintonationen lassen den melodischen Gang lebendig werden und hauchen dem Spiel „Seele“ ein.


Einstimmen

Auf die Temperatur der Instrumente achten. Immer mit einem schönen Ton spielen. Ansatzkorrekturen werden sodann am Stimmzug bzw. dem Instrument wieder rückgängig gemacht. Das Ziel ist nicht den Stimmton durch Ansatzkorrektur gut intoniert zu spielen, sondern die Grundstimmung des Instrumentes anzupassen.

Einstimmen von Akkorden:
Gerüst aus Grundton und Quinte muss stehen, dann treten die variablen Töne dazu. Bilden die variablen Töne wiederum Gerüstintervalle z.B. kleine 3 mit kleiner 7, so müssen diese wiederum rein eingestimmt werden.

Zu beachten

Langsam, laut und deutlich sprechen. Zu den Musikern sprechen.
Zu Beginn des Stückes gemeinsam einatmen.

Längere Noten über den vollen Wert aushalten, keine Abschwächung zum Ende der Noten.
Zusammenhängende Phrasen erkennen und spielen.
Wie sitzen die MusikerInnen auf den Stühlen?

Übungen zur eigenen Vorbereitung

Intonationsübungen mit Softwareprogramm, z.B. Earmaster

Praktische Hinweise zur Intonationsanalyse

  • Untersuchung der Einzelstimmen:
    Oktav-, Quint- und Quartsprünge sind in vielen Fällen bei der melodische Linie vorrangig vor der vertikalen Intonation der variablen Akkordtöne zu sehen. Z.B. in der Melodie ist ein Quartsprung, der auf einer akkordischen Durterz endet. Das Gerüstintervall Quartsprung ist rein zu intonieren, der dadurch nicht vorhandenen akkordischen Minderung der Durterz ist durch eine Erhöhung des Akkords zu begegnen.
    In der Partitur die Oktav-, Quint- und Quartsprünge mit einer Klammer markieren. Hierbei kann auch der Einschub anderer Töne vorkommen..
  • Terz und Sextsprünge innerhalb einer liegenden Harmonie:
    Grundsatz: Große Intervalle eng und die kleinen Intervalle weit nehmen. Jedoch ist die Toleranzgrenze bei großer Terz und großer Sexte sehr gering. Diese Toleranzgrenze ist bei den weiten Intervallen (kleine 3 und kleine 6) jedoch deutlich größer.
  • Nachdem die horizontale Intonationsanalyse erfolgt ist, folgt die vertikale Intonationsanalyse. Kritisch sind hier Einklänge und in Oktaven gespielte Töne. Über den Noten in der Partitur kann das Instrument geschrieben werden, welches den Ton verdoppelt. Häufig wird der Akkordgrundton verdoppelt.
  • Variable Töne, die gedoppelt gespielt werden, z.B. Durterzen sind mit den einzelnen Spielern abzustimmen, wie gespielt wird. Auch hier macht es Sinn, die Instrumentenbezeichnungen des jeweils anderen Instrumentes über der Note zu notieren. Für die einzelnen Spieler ist es wichtig zu wissen, wer noch den gleichen Ton spielt, um sich gehörtechnisch darauf einzustellen.
  • Ermittlung, wer der jeweilige Gerüstpartner ist.

Einspielen

a) Intervalle (erst Grundton, dann Intervallton spielen):

  1. klingend Bb-Dur: 2,3,6,7 als enges Intervall spielen, Intervallton etwas tiefer nehmen. 1,4,5,8 als Gerüsttonintervall weder eng noch weit spielen.
  2. Klingend g-moll natürlich /äolisch. Gleiche Vorzeichen von gerade eben, nur starten wir bei klingendem g: 2 als enges Intervall; 3,6,7 als weites Intervall spielen und 1,4,5,8 wieder als Gerüsttonintervall weder eng noch weit spielen.
  3. Wie oben: Die tiefen Instrumenten bleiben jedoch beide Male auf dem Grundton.

    auch Mallets und kleine Trommel ohne Schnarrseiten leise mitspielen lassen


b)  Dur- oder Molltonleiter, 4/4 Takt mit Viertelnoten in staccato. Nur der erste Takt wird
     dirigiert. 
     Die MusikerInnen müssen das Tempo selbständig halten.

Elemente einer Komposition (Begrifflichkeiten)

Melodie
Gegenstimme
Bassstimme
Liegende Harmonien (gehaltene Akkordtöne)
Bewegte Harmonie (Begleitung)
Figurationen (meist im Holzsatz)
Rhythmische Begleitung (Perkussion)

Aufgabe des Dirigenten: Ausbalancieren der Klangfarben.


Cent-Abweichungen gegenüber der temperierten Stimmung

Kleine 2: + 11,7 weit  (beides möglich)

Große 2: - 17,6/ +3,9 eng   (beides möglich)

Kleine 3: + 15,6 weit

Große 3: - 13,7 eng

Quarte: - 2

Tritonus: + 17,5 weit

Quinte: + 2

Kleine 6: + 13,7 weit

Große 6: - 15,6 eng

Kleine 7: + 17,6 weit (beides möglich)

Große 7: - 11,7 eng  (beides möglich)

Kleine 9: + 5

Große 9: + 4 

Dynamische Abstufung im Akkord: 
Grundton —> Quinte —> Terz —> Septime —> None

Barocke Spielweise - historische Aufführungspraxis (1600 - 1800)

  • Betonung der Dissonanz
  • Abphrasierung
  • Folgt auf eine kurze Note eine lange, dann wird die längere Note betont

   —> wird hingegen die erste (kürzere) Note breit artikuliert und die zweite    
          (längere) kurz, dann wird wieder die erste Note betont.

  • Der Bindebogen wird zum Betonungszeichen
  • Die erste Note unter dem Bogen wird betont
  • Die erste Note unter dem Bogen wird dadurch zur längsten Note
  • Die nachfolgenden Noten werden dadurch leiser

Ab 1800 Wechsel von der sprechenden Musik zur malenden Musik

Klangschulung (während der Probe)

  • auf runden, vollen und tragfähigen Klang hinwirken
  • Differenzierte und einheitliche Artikulation einfordern
  • Einheitliche Phrasierung einfordern
  • Dynamisches Spiel einfordern
  • auf präzisen Einsatz aller Instrumente achten
  • Töne werden zusammen abgeschlossen
  • Gemeinsames Atmen in den Registern
  • Der Klang ist in der Phrase „elastisch“, besonders bei sehr lautem Spiel und starken Betonungen
  • Der Klang ist selbst bei sehr leisem Spiel tragfähig und spannungsvoll
  • Der Klang kann moduliert - in Farbe und Intensität variiert - werden
  • Der Klang ist transparent und ausgewogen, was bedeutet, dass alle Aspekte einer Komposition gehört und alle Klangfarben wahrgenommen werden können
  • Motive und Phrasen werden mit Spannung und Achtsamkeit gespielt

Klangfarbe

Die Obertöne sind für die Klangfarbe verantwortlich. Verschiedene Klangfarben entstehen dadurch, dass die einzelnen Obertöne verschieden laut mitklingen.
Tonhöhe, Lautstärke und Dauer als primäre Eigenschaften und Klangfarbe als weitere Eigenschaft ansehen.

Wichtiger Hinweis:
Spielen zwei oder mehrere verschiedene Instrumente (Farben) die gleiche melodische Linie (im Einklang oder Oktaven) sind sie so miteinander zu vermischen, dass aus den Einzelfarben eine neue „Mischfarbe“ entsteht. Farbenspiel heißt somit Erreichen von Mischklängen. Treten in einer Komposition gleichzeitig mehrere verschiedene melodische Linien auf, ist darauf zu achten, dass jede einzelne Melodie als Mischfarbe einheitlich erscheint, dass sich aber die einzelnen Mischfarben auch deutlich voneinander unterscheiden.

Erweiterung des Dynamikspektrums

Klang in jeder Lautstärke elastisch, tragfähig und transparent halten. Laute Stellen nicht nur mit viel Kraft spielen, sondern auch mit einer guten Atemstütze und einer gezielten Atemführung voll zum Klingen bringen.

Crescendo führt oft zu einem Höhepunkt hin, daher die Ziellautstärke erst ganz zum Schluss erreichen.

fp ohne Akzent spielen. Der Beginn des Tones voll und stabil und der Übergang ins piano fließend und ohne Intonationseintrübung.

Artikulation in klassischer Musizierart:
Legato (Bindebogen): Gebunden; jeden Ton ohne Dynamikänderung lückenlos an den nächsten Ton anbinden.

Non legato (ohne Phrasierungszeichen): Ungebunden; Töne durch mittelstarken Zungenstoß trennen. Leichte Lautstärkeverminderung auf den einzelnen Tönen.

Tenuto (mit Tenutostrichen): Die Trennung zwischen den Tönen ist sehr kurz. Keine Lautstärkeminderung.

Portato (Bindebogen mit Staccatopunkten): Weicher Zungenstoß, hörbare Trennung, keine Lautstärkeminderung.

Staccato: Töne klar trennen, kurz und eher unbetont (leicht!) gespielt.

Akzent (liegender Pfeil): Hervorheben zu Beginn und dann ausklingen lassen (Glockenschlag).

Marcato (stehender Pfeil): Klarer Zungenstoß, Töne getrennt, geringe/ keine Lautstärkeminderung.

Ausgewogener (lauter) Orchesterklang mit Volumen

- Lautstärke -

Eine differenzierte dynamische Gestaltung erleichtert dem Zuhörer das Erkennen melodischer, harmonischer oder rhythmischer Strukturen.

Spielt ein Orchester einen Akkord durch alle Stimmen hindurch in objektiv gleich starkem Forte, so erklingt in den Ohren der Zuhörerschaft kein ausgewogener lauter Akkord, vielmehr wird der Klang durch die hohen Frequenzen dominiert sein und entsprechend wenig Volumen aufweisen.

Lösung: 
Die hohen Töne müssen für einen ausgewogenen Klang leiser und die tiefen Stimmen entsprechend lauter gespielt werden.

Bei crescendi erfolgt die Zunahme der Lautstärke entsprechend in den hohen Instrumenten verhaltener als in den tiefen Instrumenten und bei decrescendi umgekehrt.

- Tondauer -

Ähnlich verhält es sich mit der Tondauer.
Werden durch alle Instrumente hindurch beispielsweise sehr kurz Noten gespielt, verliert der Akkord an Stabilität, da die hohen Frequenzen stärker wahrgenommen werden.
Lösung: Die hohen Töne übertrieben kurz spielen. Die tiefen Instrumente spielen breiter. 
Der „kurze“ Akkord erhält trotz der breiteren Spielweise der tiefen Instrumente Stabilität und Volumen. Diese Gesetzmäßigkeiten gelten sowohl für das Tuttispiel wie auch für das Musizieren in kleineren Gruppen oder Registern. 

Tipp für Flöten:
Zunge sollte die Backenzähne berühren, dann nur mit der Zungenspitze spielen.

Metrum

Die Teile eines Takte werden nach ihrem Gewicht unterteilt.
So wird im 2/4 Takt das erste Viertel betont (schwer) und das zweite Viertel unbetont (leicht) gespielt. 

Im 3/4 Takt das erste Viertel betont und die Viertel auf 2 und 3 unbetont.

Im 4/4 Takt Betonung in der Reihenfolge 1324. 2 und 4 unbetont.

Achtel im 4/4 Takt jeweils auf den Schlag betont und Nachschlag unbetont. Wertung 1324 bleibt erhalten.

Benennung des Klangeindrucks (Begrifflichkeiten)

kalt ⇔ warm;    stumpf ⇔ scharf;    weich ⇔ hart;     kompakt ⇔ vielschichtig;

statisch ⇔ dynamisch;     farbig ⇔ schwarz-weiß

Siehe auch:
Note Grouping von James Morgan Thurmond

Sound in Motion von David McGill

Rising Strong Brene Brown

Split exercise Richard Crain

Fazit/ Zusammenfassung: 

Rhythmisches Zusammenspiel
Akkordische Intonation
Melodische Intonation
Klangausgleich
Orientierung nach vorne/ wie reagiert Orchester auf Dirigenten
Drums mit/ ohne Kontakt nach vorne?
Vom Blattspiel
Einheitliche Phrasierung
Dynamisches Spiel
Artikulation gemeinsam und zutreffend

Ziele kommunizieren, z.B.: 
Entwicklung des Orchesters, Konzertvorbereitung, Integration der NachwuchsmusikerInnen

Soviel Hilfestellung wie nötig, aber das Orchester nicht stören.

Gesucht wird ein williges Orchester mit ausgewogener Besetzung und einem Probenbesuch über 80 %.